Candelilla – Abweisender und zugleich aufreibend schöner Post-Punk – Ein Konzertreview

CANDELILLA – 19.04.2017, Ostpol, Dresden –

Wenn man wie ich, an einem erwartungsfrohen Abend im Ostpol an der Bar sitzt, sein Lech genießt und sich eine äußerst nette junge Dame auf den benachbarten Barhocker setzt und sich die Unterarme bemalt, könnt ihr euch sicher vorstellen, wie wissbegierig ich darauf war, warum.
Die Erklärung ist so einfach, wie skurril. Frontfrau Mira Mann schrieb sich einfach vorab die Setliste auf den Unterarm. Sie sind eben nicht nur in ihrer Musik anders, auch bei solchen vermeintlich nebensächlichen Sachen.

Das ich damit schon vorm Konzert wusste, an diesem Abend nie eine Chance auf die Setliste zu haben, war mir nun klar. Schade drum, aber nun gut, es gab Lech-Bier und ein kurzen Talk mit Frau Mann, das nahm ich dann mal als Ausgleich.

Der Punk geht weiter

Candelilla, in Person von Mira Mann, Lina Seybold, Rita Argauer und Sandra Hilpold, hatten zur Präsentation ihres neuen Albums Camping geladen und ich durfte dabei natürlich nicht fehlen. Wie so oft in letzter Zeit war der Ostpol musikalische Begegnungsstätte (fast hätte ich Wohnstube geschrieben). Und erneut begab ich mich in die Hände von, eckigem, knochenhartem und vorwärtstreibenden Post-Punk. Mit nur einem gravierenden Unterschied zu gleichgearteten Bands wie Die Nerven, Karies oder Human Abfall. Die vier Damen spannten stimmlich – trotz des sperrigen Punks – feine, teils hinreißende Melodienbögen. In dieser Kombination fand ich meinen roten Faden wieder, welcher ab und an bei Konzerten auftaucht. Meine Liebe zu Gegensätzlichem! Die Tafel war gedeckt.

Ohne Vorband ging es mit Augen los und es startete eine souveräne, wenn gleich auch kontroverse, aber in jedem Fall elegante Reise in die Welt der vier Münchnerinnen. Zwischendrin entstand aus der Leidenschaft in den Songs, der Unverdaulichkeit schneidender Instrumente und den klaren Stimmen immer wieder ein Kampf untereinander, der sich bis zum Ende des Konzertes nie auflösen wollte. Ein weiterer Beweis für die Diskrepanz war der warnende Sprechgesang Manns zu den klaren Stimmen von Frau Argauer und Frau Seybold.

Immer stört irgendjemand

Sind auf den beiden Longplayern Heart Mutter und Camping die Songs deutlich sperriger, anstrengender und abweisender kam es live an diesem Mittwoch nach meiner Meinung nicht ganz so borstig und rüpelhaft von der Bühne herunter. Es fühlte sich etwas runder und sanfter an, ohne dabei die kompromisslose Wand eines Punkbretts zu verschalen.

Für die musikalischen Alarmsignale bei Candelilla ist Rita Argauer zuständig und sie zerhackte auch an diesem Abend mit ihren Synthesizern aufkeimende Rhythmen sogleich wieder. Als wären nicht schon genug Kontraste in den Liedern vorhanden, grätscht sie in schöner Regelmäßigkeit in Strophe und Refrain. Im Speziellem bei Atmen hörbar, als würde die Nacht unerwartet über eine Industriebrache hereinbrechen, monoton und metallisch ächzend.

Und wo liegt nun das besondere in den Liedern von Candelilla?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Songs scheinen sich nie richtig aufzulösen und bleiben gefühlt unfertig. Oder sollte ich besser das Wort unfertig mit unbeantwortet ersetzen? Oder ist es der besagte Zwiespalt zwischen dem einnehmenden Sprechgesang Manns und den unangepassten, sperrigen Instrumenten? Vielleicht ist es aber genau dieses konträre Verhältnis zueinander, welches den typischen Candelilla-Sound ausmacht und seine Fans in den Bann zieht.

Ich für meinen Teil habe für diese Art Musik immer Platz in mir drin. Und wenn es mal eng werden sollte, muss mal richtig aufgeräumt werden. Einzig allein der Fall, dass ich mir die Setliste vom Unterarm Mira Manns nicht abfotografiert habe, ärgert mich im nachhinein sehr.

Euer Torsten

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