KARIES – 28.03.2017, Ostpol, Dresden –
Ein Punk Konzert wie es im Buche steht
Liebe Stuttgarter Punk Szene da drüben, ihr seid sau stark, ihr fetzt, ihr knallt! Gibt es von euch vielleicht noch mehr so furchtlose Punkbrett-Schwinger? Human Abfall und Die Nerven, beide schon vor Jahren aus dem Stuttgarter Punk-Uterus gepresst, habe ich bereits kennen bzw. lieben gelernt. Und nun kreuzte Karies meinen Weg und das mit einem alten Bekannten.
Naja, wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich Karies unbedingt erleben musste, schon weil Drummer Kevin Kuhn hinter der Schießbude sitzt. Um es mit den Worten eines lieben Freundes zu sagen: „Du bist wohl Fanboy vom Herrn Kuhn?“ Huch!
Post-Punk als Start- und Zielsieg
Recht hat er. Ich erwischte mich des öfteren während des Konzertes, wie ich mit einem breiten Grinsen auf die Mimik und Gestik von Kevin Kuhn reagierte. Wie kann man nur während des schnellen, anspruchsvollen und aufreibenden Schlagzeugspiels noch so viel für die Massenunterhaltung sorgen? Mitten in den Liedern verließ er die für viele Musiker so wichtige „Komfortzone“ und bewegte sich scheinbar spielerisch gedanklich auf der Bühne hin und her. Mir kam es fast so vor, als benötigte er diese „Komfortzone“ überhaupt nicht, als wäre sie im Laufe seiner Bühnentätigkeit nur Ballast geworden.
Er blickte, stierte und scherzte wahlweise mal mit Benjamin Klaus, Gitarrist und Sänger von Karies oder mit Max Nosek, Zupfer der dicken Saiten. Fast tat mir der in der Mitte der Bühne schraubende Jan Rumpela leid, weil er nie sehen konnte, mit wem es Kevin Kuhn gerade trieb.
Wo Kevin Kuhn drauf steht, ist auch 100% Kuhn drin!
War nicht bis vor kurzen noch Philipp Knoth der Drummer? Hat ihn KK, wie schon bei den Nerven, am Schlagzeug beerbt? Oder sitze ich da irgendwelchen gezielt gestreuten Fake-News auf? Vielleicht könntet ihr mir da etwas weiterhelfen. Ich möchte ungern über Bandbesetzungen spekulieren. Aber ich bin mir sicher, irgendwo gelesen zu haben, dass schon die Tracks vom neuen Album Es geht sich aus komplett von Kevin Kuhn eingespielt wurden.
Aber genug nun vom Fanboytum. Denn es standen ja noch drei weitere Musiker auf der Ostpol Bühne. Den streckenweise wie eine Prophezeiung auf uns Volk herabseihenden Gesang teilten sich Max Nosek und Benjamin Klaus. Stoisch, kompromisslos und fast etwas psychedelisch wirkend, flatterten die beiden Stimmen abwechselnden in den Saal. Diesem schon sehr eindringlichen Appell …äh… Gesang feuerte bereits benannter Drummer grundsätzlich ordentliche Salven hinterher.
Und diese Blicke erst. Um die Fans in der ersten Reihe machte ich mir mit Fortschreiten des Konzertes Sorgen, denn bei den eindringlichen und hypnotisierenden Blicken des Herrn Kuhn, hätte es mich nicht gewundert, wenn die erste Reihe ihm sofort lemminghaft hinterher gelaufen wäre.
Unerschütterlich und kaltblütig brummte der Bass schon zur Einstiegsnummer Es ist ein Fest. Bis hierhin und nicht weiter, schien er zu knurren. Und die mit Delay eingeriebenen Gitarren schwebten metallisch und monoton in ihrem eigenen Kosmos. Alle vier zusammen schienen im Saal ihren eigenen abgegrenzten musikalischen Orbit zu erschaffen. Jegliche bunte Welt musste heute vor der Ostpol Tür bleiben. Dunkel, grau, trist und repetitiv walzte sich der Sound von Karies über jedes noch so widerspenstige Hindernis hinweg. Fast alle Werke vom neuen Album Es geht sich aus fanden den Weg aus den Boxen, gemischt mit den Hits des ersten Albums Seid umschlungen, Millionen, knallte ein Punk-Brett das vorangegangene immer wieder lässig in die Ecke.
Mit Kabel bewaffnet
Lustig war noch die Anekdote mit der „AG Kabelzug“. Während meines persönlichen Hits Kariman kroch ein mit Klinkenkabeln bewaffneter „Toningenieur“ um die Beine und Trommeln von Sänger Klaus und Drummer Kuhn. Das Gesicht der beiden könnt ihr euch nicht im Ansatz vorstellen. Kuhn quittierte den Kabelzug mit einem süffisanten, leicht verstörtem Lächeln, während es bei Klaus so eng war, dass er aufpassen musste, nicht mit dem Mikrofon zu kollidieren.
Sehr sehr lustig, naja, wie gesagt, ich kam während des Konzertes nicht wirklich raus aus meinem Grinsen. Es war fantastisch und ich möchte wiederholt eine Empfehlung aussprechen. Hört, besser schaut euch Karies an, wenn ihr die Chance dazu habt.
Euer Torsten