29.07. – 31.07.2022
Und auch in diesem Jahr ließ ich mich am letzten wundervollen Juli-Wochenende vom wohl schönsten kleinen Festival verzaubern. Es war wieder Heimspiel-Zeit. Das Heimspiel Knyphausen ist seit einigen Jahren eine feste Bank in meinem Festival-Kalender und in dieser, endlich wieder „normalen“ Edition warteten wieder ein paar besondere musikalische Highlights auf mich und natürlich wieder ein paar dieser besonderen Heimspiel-Momente.
Es war mein 4. Mal auf dem Draiser Hof, dem Weingut vom Baron zu Knyphausen, dem elterlichen Hof meines Herzens-Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen. Ein ganz besonderes Fleckchen Erde, welches mir so sehr ans Herz gewachsen ist.
Wer nochmal meine Eindrücke aus den vergangenen Heimspielen nachlesen möchte, darf das gern jetzt (oder später) tun:
- Heimspiel Knyphausen 2017: Freitag, Samstag, Sonntag
- Heimspiel Knyphausen 2019
- Heimspiel Knyphausen – Die Corona-Edition 2021
Es ist dieses einzigartige Flair welches diesen Ort so besonders macht. Ein Wochenende vollgepackt mit perfekt ausgesuchter Livemusik, vollends entspannten Heimspiel-Besucher:innen von Jung bis Alt, der ein oder anderen Flasche Wein und ganz viel sommerlichen Vibes. Ich will euch mit den folgenden (nicht wenigen) Zeilen vor allem durch das Line-Up mitnehmen. Ich hoffe ihr bleibt hängen und haut nicht gleich wieder ab ;). Denn es gab die ein oder andere ganz besondere Überraschung für uns (vielleicht auch für euch).
Freitag, 29.07.2022
David Julian Kirchner
Wie verdammt gut kann ein Festival-Einstieg sein? David Julian Kirchner inkl. Band hat einen großartigen Einstieg ins Wochenende abgeliefert. Ich erwartete einen ruhigen Start mit einem tollen deutschen Singer-Songwriter. Was ich bekommen hab: Einen euphorischen und wahnsinnig powervollen Sound eines in Mannheim lebenden Künstlers und seiner wundervollen Band. David Julian Kirchner: Dich hab ich ab sofort auf dem Schirm und solltest Du den Weg in meine Nähe finden, stehe ich wieder vor Deiner Bühne.
Für euch alle hier ein kleiner Anspieltipp (auch wenn ich nicht mehr weiß ob er diesen Song überhaupt gespielt hat): „ID“
Husten
Wer mich und meinen Musikgeschmack kennt, weiß auch, dass ich die Musik von Gisbert zu Knyphausen ganz schlimm liebe. So könnt ihr euch auch denken, dass die Supergroup „Husten“ um Gisbert, Moses Schneider (Produzent von Tocotronic, Beatsteaks, etc.) und den „Dünnen Mann“ alias Tobias Friedrich, mein absolutes Highlight an diesem Heimspiel-Wochenende sein würde. Wie lange habe ich auf dieses Husten-Konzert gewartet. Ursprünglich wollte diese Band nie auf Tour gehen, kein einziges Konzert spielen und nun stand ich 5 Jahre nachdem sie ihre erste Single „Liebe kaputt“ veröffentlichten, vor ihnen und darf ihnen in dieser liebevollen Atmosphäre lauschen. Lauschen? Nein lauschen ist definitiv der falsche Begriff. Wir feierten und liebten sie!!! Vom ersten bis zum letzten Takt.
Wir sehen uns definitiv auf der Tour, die am 8. Oktober in Leipzig startet. Und so lange vertreibe ich mir die Zeit mit ihrem famosen Debüt-Album „Aus allen Nähten“ und den Erinnerungen an diese erste Begegnung.
Bilderbuch
Und auf ein Highlight folgt bekanntlich das Nächste. Dieser erste Tag war somit nahezu perfekt. Bilderbuch rockte als letzte Band die freitäglich Heimspiel-Bühne und riss ALLES ab. Die Wiener Jungs kreiselten schon Jahre durch meine Playlists und nie hab ich sie live erwischt. Also wieder eine kleine besondere Premiere für mich. Mit ihrem Genres-Hopping trafen sie jeden Geschmack. Die Spielfreude und das Entertainment der Band zog alle in den Bann. Die Kleinsten feierten sie genauso, wie wir Großen. Bilderbuch-Rock´ n´ Roll könnte man sagen.
Samstag, 30.07.2022
Nichtseattle
Als Tocotronic-Fan habe ich bei diesem Namen sofort ein Lied im Kopf: „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk!“ und ich sollte feststellen, dass diese Assoziation gar nicht so unbegründet ist. Ein ruhiger, aber sehr spannender Einstieg in Tag 2 des Heimspiels. Nichtseattle, das ist Katharina Kollmann, Berlinerin, melancholisch und etwas düster, und doch wieder erfrischend. Ihre Texte eindringlich und hinterfragend. Wie z. B. beim Song „Kommunistenlibido„. Hört mal rein!
Klebe
Von Gisbert angekündigt als kleine Neuentdeckung. Er wusste wohl selbst nicht was ihn und uns bei Klebe erwarten. Das was er vorher hören durfte war wohl überzeugend, also vertrauten wir ihm und ließen uns auf Klebe ein (blieb uns ja auch nix anderes übrig). Schon allein ihre Texte überzeugten: „Ich fall wie eine Murmel aus der Hand und rolle Richtung Irgendland. Wie ein Kind einem Schmetterling, jag ich mir hinterher. Ich bin ein Mikroplastikstück irgendwo im Meer. Ich ertrinke nicht, krieg aber schlecht Luft hier.“ Gepaart mit diesem schweren, manchmal sehr düsterem Sound, spürt man genau das, was sie besingt, in der eigenen Brust. Aber hört doch einfach selbst rein: „Irgendland„
Friedberg
Hier kommt die erste handfeste Überraschung! Was für eine großartige Powerfrauen-Band, die das gesamte Heimspiel-Publikum mit ihrem E-Gitarren Sound in den Bann zogen und alle tanzen ließen. Anna Friedberg, Sängerin der Band, gründete erst 2019 diese Band. Vorher war sie selbst als Singer-Songwriterin bekannt, sogar schon mit Lenny Kravitz auf Tour. Ein Hoch auf diese Band-Gründung. Da wäre uns wirklich etwas entgangen. Mit einer Mischung aus richtig rotzigem Power-Punk und verzauberten Dream-Pop-Klängen überraschte sie jeden Einzelnen von uns. Diese Band bereitete uns einfach nur Spaß. Sollte ihr sie irgendwann mal live erwischen, dann macht euch auf pure Spielfreude und eine kleine Portion Magie gefasst. Ein Fest.
Auch hier will ich euch einen Anspieltipp empfehlen. Hört hier mal rein: „Midi 8„!
Algiers
Diese Band durfte ich schon 2x auf Festivals erleben. Abgeholt hatten sie mich irgendwie nie. Okay, eventuell war ich damals nicht ganz bei der Sache, denn zum Heimspiel waren sie für mich eine weitere Überraschung. Ohne Erwartungen stand ich vor der Bühne und ließ mich einfach treiben. Und hey, das war wirklich gewaltig, auch wenn Frontmann Franklin James Fisher irgendwie abwesend und sogar fast etwas „angefressen“ wirkte. Der Rest der Band holte alles aus dem Entertainment-Kästchen und überschwemmte uns mit purer Energie. Danke, dass ich meine Algiers-Meinung nochmal revidieren durfte.
YinYin
Uff, schwierig. Hier finde ich sicher keine passenden Worte. Na gut, ich versuche es mal. Als ich die Band im Line-Up laß und spontan reinhörte war ich etwas enttäuscht. Das muss ich zugeben. Irgendwie hatte ich mir eine Band á la „The Notwist“ oder „Brand Brauer Frick“ wie in den vergangenen Jahren gewünscht. Das was ich hörte holte mich so gar nicht ab. Aber auch hier war das Vertrauen auf das hervorragende Booking von Gisbert und Benjamin groß. Also ließ ich mich ein. Das muss man wohl bei dieser Band. Mit ihrem Mix aus 70er-Jahre-Funk, Electro-Irgendwas, Psychedelia und traditioneller asiatischer Musik entsprachen sie nicht gerade meinem Hörgeschmack. Anfangs tat ich mich echt schwer, aber die Weinseeligkeit, diese besondere Stimmung auf der Heimspiel-Wiese, diese echt ungewöhnliche Musik und die Leidenschaft der Holländer, hatten mich dann doch irgendwann in den Bann gezogen. Tanzend verabschiedeten wir uns von diesem großartigen Festival-Tag.
Sonntag, 31.07.2022
Nullmillimeter
Nullmillimeter, das sind Sängerin Naëma Faika, Gitarrist Marcus Schneider, Bassist Frenzy Suhr, Schlagzeuger Lennart Wohlt und Gitarrist Gunnar Ennen. Dem ein oder anderen von euch werden diese Namen bekannt sein, denn sie waren Teil der alten Gisbert-Band. Vom frisch veröffentlichten Album mit dem Titel „Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“ hatte mich schon vor ein paar Monaten vor allem der Song, den sie zusammen mit Gisbert zu Knyphausen singt, erwischt. Und ich hoffte sehr, dass beide auf der Heimspiel-Bühne eben genau diesen Song, „Long Nights“, zusammen spielen werden. Was sie taten. Wieder so ein Herzensmoment! Naëma Faika führte wahnsinnig charmant durch ihr Set. Dabei war das gerade mal ihr 6. Konzert überhaupt. Und ich hatte tatsächlich das 1. Konzert (damals 2019 auf dem Heimspiel) sogar schon miterleben dürfen. Im nächsten Frühjahr kommen sie dann auf Tour, hoffentlich auch in meine/unsere Gegend. Ich freu mich auf jeden Fall auf ein Wiedersehen.
Lisa Morgenstern
Auch hier treffe ich auf eine alte Bekannte. Lisa Morgenstern durfte ich zusammen mit dem bulgarischen Chor „Bulgarian Voices Berlin“ schon 2019 auf der Popkultur Berlin erleben. Atemberaubend war das damals. Ihr Auftritt beim Heimspiel kam da nicht ganz ran, lag aber wohl auch am fehlenden Chor, der sengenden Hitze (die uns Heimspiel-Publikum schon ganz schön quälte) und/oder dem verstimmten Synthesizer (welcher Lisa etwas quälte). Wir machten es uns also unter unserem Regen-/Sonnenschirm bequem und genossen sie mit geschlossenen Augen auf der Picknickdecke vor der Bühne.
Porridge Radio
Groooooße Liebe für diese Band. Es ist genau 2 Jahre her als ich das erste Mal Porridge Radio „live“ genießen durfte. Damals im 2020er-Corona-Heimspiel-Zuhause-Format, sprich im Livestream. Ich weiß noch wie ich zusammen mit einer Freundin verschwitzt in meiner alten Wohnung zwischen Umzugskartons sitzend, Knypi trinkend, mich von Porridge Radio umhauen ließ. Dieses Jahr dann endlich „live live“ auf der großen Heimspiel-Bühne. Ich bin immer noch fasziniert von dieser Band und vor allem von Sängerin Dana Margolin. Sie hat wirklich alle Emotionen, die man als Mensch fühlen kann, aus sich rausgesungen, ja rausgeschrien. Während sie das so tat, dachte ich die ganze Zeit: Wow! Wie befreit muss sie sich nach einem Konzert fühlen! Ihre Lyrics presst sie dabei fast mantrahaft heraus. Immer wieder eine Zeile, die immer dieselbe ist und doch eine ganz andere. Ein absolut gelungener Abschluss eines wundervollen Wochenendes. Perfekt!
Fazit
Es war total schön das Heimspiel wieder im „alten, normalen“ Format erleben zu dürfen. Gelassene Menschen auf Picknickdecken, tanzende Musikbegeisterte vor der Bühne, auf Boxen sitzende/wippende/tanzende Kinder… alles wie immer. Und doch muss ich so rückblickend feststellen, dass das 2021er Heimspiel schon auch seinen Charme hatte. Es war mit nur 500 Besuchern eben einfach noch etwas intimer und familiärer. Irgendwie besonderer. Meinen Festivalbericht könnt ihr übrigens hier noch mal nachlesen!
Und trotzdem möchte ich die Corona-Edition nicht zurück, zumindest nicht ausschließlich. Das Heimspiel soll genauso bleiben wie es ist. Denn nur das hat die zaubertolle Heimspiel-Familie verdient.
Obwohl? Mir kommt da gerade eine Idee. Perfekt wäre doch eigentlich beides. Mittwoch bis Donnerstag findet das limitierte Heimspiel statt, von Freitag bis Sonntag das „normale“ Heimspiel. Ich wäre sofort dabei. Na, Familie zu Knyphausen? Wie wäre das?
Beste Grüße und bis zum nächsten Jahr!
Eure verzückte (oder verknypte) Heike