Jenseits von Millionen – Der Häuptling kleiner Festivals – The Beginning

JENSEITS VON MILLIONEN – 3. – 4. August 2018, Burg Friedland

geschrieben von Torsten Arndt

Auch wenn die rasende Zweikanal-Reporterin am letzten Wochenende offiziell an den Luhmühlen Station machte, möchte ich euch trotzdem als verdeckter Festival-Spitzel kurz einen Einblick in meine kleine geheime Wochenend-Welt im Friedlander Backend gewähren. Warum Backend? Weil Friedland mit samt seiner Burg irgendwie noch hinter dem Spreewald und hinter dem Schwielochsee liegt. Das natürlich von Dresden aus gesehen. Aber eigentlich ist es egal, ob nun vorm oder hinterm See die Musik spielt. Es war Festivalzeit und es handelt sich dabei um niemand Geringeres als um den Anführer aller kleiner Festivals: dem Jenseits von Millionen! Howgh macht der Indianer in mir.

Nach Jahren meines Anlaufs zum JvM warteten gleich so gigantische Bands wie Kala Brisella, Belgrad, Das Paradies, Gurr und Cassia auf mich. Mein innerer Musik-Agent tanzte da bereits schon seit Tagen wie ein beschwörender Schamane ums musikalische Feuer. Auf deutsch, meine Vorfreude war riesig.

Das Auto ist eingeparkt, das erste Bier offen, der Wigwam zur Hälfte aufgebaut (reicht bei der Hitze), das erste Brötchen mit Büffel-Beef erlegt. Schatten sitzend, Blick zur Uhr, Zimt startet! Abmarsch. Kurzer Ritt zur Burg Friedland, dabei ist festzustellen, dass Friedland wirklich ein verschlafenes Dörfchen ist, es schieben sich scheinbar nur zugereiste Festivalbesucher durch die sengende Hitze zur Burg.

Süßes Vergnügen mit Zimt und Blond in Glitzer-Mauve

Und im Moment des Durchschreitend des Burgtores war es gänzlich in mir durchgebrochen, mein Festivalfieber. Die Zimt-Sterne machen bereits einen bravourösen Job, immerhin ist es als Festival-Opener nicht immer ganz leicht. Und irgendwie stehe ich gerade voll auf diese Deutsch-Pop-Indie-Waves. Der teils minimalistisch Sound der Augsburger ist spannend, erinnert an die 80er, vielleicht Joy Division, nur eben weiblicher, freundlicher. ‚Schwaches Herz‘ ist mein Anspieltipp. Zieht euch das mal rein. Der Start ist hervorragend gelungen. Und bei meiner Festival-Crew wird bereits erneut angezapft, während sich Blond für ihr musikalisches Meeting vorbereiten.

Und bei den Chemnitzern Blond drückt sich an manchen Stellen schon deutlicher ein fetziger Punk durch, singen wie der Mund gewachsen ist und die Worte einfach heraus purzeln lassen. Sie sind etwas „brighter“ im Gitarrensound, deutsch englisch im Wechsel und immer zum Tanzen animierend ganz vorn am Bühnenrand. Das konnte von mir aus die ganzen zwei Tage so weitergehen. Der Platz vor der Bühne ist nun schon voller und in der Hüfte beweglicher. Ich will hier aber auch gar nicht so sehr ins Detail gehen mit der Musikbeschreibung zu einzelnen Bands, sondern versuchen, euch einen Gesamteindruck aus dem Brandenburger Backend zu überliefern.

Wellen im Indie-Rock durch Cassia und Mords-Delay bei Lea Porcelain

Cassia sind dran und haben in Ihrem musikalischen Gepäck eine Menge Coconut-Einfluss mitgebracht. Passt zum Wetter, passt zum Sommergefühl, passt genau zu meinem wohligen Festivalzustand. Die goldigen Jungs von Cassia aus Manchester verpassen der Burg damit einen leichten Karibik-Einschlag. Ganz anderes verhält es sich bei den Postcards aus Beirut, eher bedächtig ausgebauter Dream-Pop zerfließt auf der MainStage, während die Sonne langsam hinter der Burg untergeht. Eigentlich ein knackiger Fotomoment, nur ich lausche lieber des sich stets wandelnden Sounds der Postcards. Manch brachialer Post-Rock-Ausbruch treibt die zwischendurch lieblich – in verwunschenen Wäldern gefangenen – Melodien vor sich her. Das möchte ich knallhart als eines meiner Highlights an die Friedländer Burg pinnen. Das gefällt.

Bei den beiden abschließenden Bands Uns und Lea Porcelain fehlt mir etwas der Zugang, nun ja, so ist es eben auch manchmal auf einem Festival. Das tut der Freude, der Entspannung, des Genusses des Events aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, im Delay-Gewitter von Lea Porcelain kann man völlig verloren Blicke und Gedanken schweifen lassen, Details vom Festival genießen und sich schon langsam die Mocassins fester zubinden für die anstehende Aftershow-Sause.

Aftershow im Jugendclub

Die Fakts zur Aftershow: ausgelassenes Tanzen, hemmungsloses Mitsingen, entfesseltes Springen, kurz: singen, tanzen, lachen, trinken, Leute kennenlernen, Leuten Bier ausgeben oder bekommen. Und wir vier von der Dresdner Festival-Crew sind uns einig: „Was in Friedland passiert, bleibt in Friedland!“ Diese und weitere verbale Granaten explodierten am ganzen Wochenende immer wieder um mich herum. Davon noch später mehr.
Es ist ganz besonderes Gefühl, welches sich in solchen Momenten in mir breit macht und auch nach dem Festival nur schwerlich abebbt. Beim Blogpost zum Immergut-Festival im Mai habe ich es schon einmal versucht, aus mir herauszukitzeln. Die Kombination zwischen ehrlicher ungezwungener Musik, entspannten und vor allem freundlichen Leuten und die rundherum äußert positive Stimmung, welche die Macher an diesem Wochenende in Friedland erzeugten, ist für mich einzigartig. So zumindest erlebe ich es.

Es ist kurz gesagt: Eine völlig andere Welt in meiner kleinen Welt an diesem Wochenende. Eine Offenbarung mit einem versteckten Eingang. Eher Wildnis als Trapper. Mehr Holz als Granit. Der Bogen zum Samstag ist gespannt, denn der hat es in jedem Fall in sich. Macarena Getanze auf der Bühne, ständiges Rumgesiele einzelner Musiker vor und auf der Bühne, Franky, Werner, Thomas der OB und immer wieder diese Frage, wie kann ich dieses Gefühl für immer in mir konservieren?

Stay tuned

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