Isolation Berlin – Und aus dem Dresdner Himmel tropfte der Punk

ISOLATION BERLIN – 16.12.2016, Groovestation, Dresden –

Das habt ihr euch doch schon vorher so ausgemacht, oder? Denn nach dem Konzert standen Chérie, der Capitano und ich beim Bier und beratschlagten, wer denn nun über den Auftritt der Berliner in der Groovestation schreiben soll. Beratschlagten? Denkste. Es wurde einfach festgelegt! Und da ich der Neue im Isolations-Universum war, wurde ich undemokratisch als Schreiberling bestimmt.

So stand ich nun da mit der letzten Aufgabe für ZK in diesem Jahr. Meine Berührungspunkte mit der Isolation waren nämlich vorher nur durch die überschwänglichen Schwärmereien von vergangenen Konzert Erlebnissen Beider geprägt. Allerdings, gespannt war ich schon auf die Aufsteiger am Punk-Pop Himmel. Nun denn.

Geschrei

Den ganzen Abend tropfte oder besser goss es Schrei-Punk vom Groovestation-Himmel, ob nun von der Vorband Swutscher, Ziehkind und Einschreier für Isolation Berlin oder eben aus dem Mund von Mister Bamborschke.
Zugegeben, der Frontmann von IB hatte eine gewisse charismatische Ausstrahlung, welche für mich allerdings nichts mit seiner obligatorischen Blue-Oyster-Bar-Mütze und seinen tiefschwarz beringten Augen zu tun hatte.
Aber irgendwas war da, keine Ahnung, ob es der Dame auch so erging? Konnte sie ja bereits im April in Jena IB-Luft schnuppern. Er sprühte liederlang nur so vor Energie, hatte aber auch seine Momente, in denen ich dachte, er hält seinen eigenen Schreiattacken nicht stand. Unsicherheit und Melancholie schlichen sich genauso wie Aggressivität und arrogante Unantastbarkeit in Herrn Bamborschkes Erscheinungsbild. Das hatte einen gewissen Reiz. Ein Punker Leben verlangt einem scheinbar viel ab, das deutete er bereits am Anfang des kraftraubenden Konzertes an.

Hinterm Vorhang

Musikalisch erinnerte mich das Konzert an das Berlin 1970. Warum ich während des Konzertes immer unweigerlich an den Westteil der Stadt weit vor der Wende denken musste, kann ich gar nicht mit Bestimmtheit sagen. Hatte ich doch Westberlin nie persönlich, sondern nur via Film, Reportagen und aus anderen Quellen kennengelernt. Dieser Bereich kurz hinter Bronkow war in meiner kleiner Welt bis dato nur mit Skoda, Begrüßungsgeld, Chrom-Kasetten und Pop-Rocky verknüpft und ansonsten nicht weiter in Erscheinung getreten. Und ich gebe zu, gedanklich fühlte ich mich in diesem neuen alten Berlin wohl. Es war angenehm, in diesen 100 Minuten in eine Zeit einzutauchen, welche so oft mit musikalischen Mythen behangen erscheint. Und ich hätte sie einfach gern mal erlebt, die wilden Siebziger, in Westberlin, hinterm Vorhang, zeitlich begrenzt fürs Erste.

 

Aber mal Hand aufs Herz. Warum sind diese noch so jungen Burschen schon so voll mit musikalischer und textlicher Melancholie, Tristesse und Schmerz? Ist das nur eine Rolle die sie spielen, eine Nische die sie bewußt besetzen oder häufen sich bei IB Traurigkeit und Enttäuschung überproportional? Geschaffen aus unsäglichen negativen Erfahrungen?

Ich hab endlich keine Träume mehr
Ich hab endlich keine Hoffnung mehr
Hab endlich keine Emotionen mehr
Ich hab keine Angst vorm Sterben mehr

Ich bin bei diesen Aussagen, hier aus Alles Grau, zugegebener Maßen in Gedanken und Antwort etwas skeptisch. Und es wird mir wohl nie vergönnt sein, dazu in mir drin ein akzeptables Gleichgewicht zu erlangen.

Geliebte Traurigkeit

Dass das Konzert in der Groovestation ausverkauft war, hatte mich nicht verwundert, sind die Mannen um Rampensau Bamborschke seit ihrem Sprung zum Plattenlabel Staatsakt scheinbar pausenlos auf Tour und in jeglichen Medien ganz vorn dabei. Das allerdings die aufkeimende Wut im zweiten Teil des Konzertes kaum abebben wollte, hingegen sehr.
Passend zu Punk-Attitüde auf der Bühne wurde vor selbiger der Punk in die Praxis umgesetzt und gepogt was das Zeug hielt. Es war ein tänzerisches Ping-Pong-Spiel zwischen IB und dem vollkommen ausgelassenen Dresdner Publikum.

 

Wie Wellen schwappte die Raserei von der Bühne, locker über alle Brecher (die größten Menschen standen an diesem Abend ganz vorn) hinweg runter in den Saal und bäumte sich mehr und mehr auf. Das hatte Schmiss, das hatte Drive, das war geil und begeisterte mich von Lied zu Lied mehr. Meine Textsicherheit hatte ich indes vorm Konzert meiner Chérie „übergeholfen“, denn ich war ja der Neuling in der Runde und scheinbar der Einzige, der keine einzige Textzeile mitsingen konnte.
Aber das machte nichts an diesem Abend, ich fühlte mich, wie es sich für eine Punk-Rutsche gehört, ordentlich abgeholt, bearbeitet und wieder ausgespukt.

Euer Zweikanal

 

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