Karl die Große – GeyserHaus Leipzig

27. August 2021, Geyserhaus Leipzig

-geschrieben von Gastblogger Rupert –

Es gab da diesen Tag 2020. Ich erinnere mich noch genau. Es war Dezember und ich hatte das erste Mal die Gelegenheit, in das aktuelle Album von Karl die Große („Was wenn keiner lacht“) reinzuhören. Die Challenge nahm ich einfach mal an. Normalerweise hat es deutsche Musik sehr schwer mit mir. Aber ich befinde mich ja selbst gerade in einer musikalischen Metamorphose. Also gebe ich mich dem Album mal direkt unter dem Kopfhörer vollkommen offen hin. Und bereits nach wenigen Minuten war ich total unruhig und energiegeladen. Was war das denn bitte??? Dieser Sound – so modern, so kompakt, so fett. Und die Lyrics schienen mir so echt und total greifbar. Ich hatte die Band doch ganz anders in Erinnerung. Ich war unerwarteter Weise total begeistert (und bin es noch). Für mich war es eins der Alben, das man sofort in die  deutschen Charts schieben kann.

Und nun sollte es endlich soweit sein. Ich hatte mich sehr gefreut, dass Karl die Große in Leipzig auf der Parkbühne GeyserHaus spielen und ich dieses Meisterwerk endlich live sehen konnte. Meine Erwartungen waren echt hoch. Allerdings waren meine Befürchtungen, dass es regnet mindestens genauso stark. Auf der Fahrt zum Konzert ist mein Scheibenwischer überhaupt nicht mehr hinterher gekommen. Aber irgendwie hat es dann doch noch geklappt. Pünktlich 20:00 kamen einfach keine Tropfen mehr vom Himmel. Und irgendwie war nicht nur ich darüber sehr glücklich, denn Wencke (die Sängerin) begrüßte das Publikum sehr dankbar, dass der Regen nun vorbei war. Das Publikum freute sich mit einer anfänglichen Zurückhaltung, auf seinen Corona-konformen Sitzbänken, dass es nun losging.

Bereits nach den ersten Tönen war klar, dass der Sound wirklich auf den Punkt abgemischt war. Man konnte alle Details sehr ausgewogen wahrnehmen, was für mich, als analytischen Hörer, sehr wichtig ist. Dadurch konnte ich mich sehr gut in das wunderschöne Klanggebilde fallen lassen. Ich war überwältigt von diesem immer wieder auftauchenden Gesang, der sich angehört hat, als hätte man ihm ein Fünkchen Melodie geklaut und dafür eine Portion Storytelling reingepackt. Aber der dabei entstandene Flow war einfach supertight mit dem Schlagzeug. Das wirkte sehr erfrischend in Kombination mit der eher klassischen Instrumentierung aus Gitarren, Bass, Klavier, Schlagzeug und Brass. Es war deutlich zu spüren, dass die Band über den Sommer schon einige Shows hinter sich hatte und alle gut aufeinander eingespielt waren.

Mein Herz wurde allerdings auch durch die anfängliche Aufregung in den Ansagen sehr berührt. Dadurch wirkte alles so authentisch und so wichtig. Es war eben nicht nur ein Runterspielen von ein paar Songs. Nein. Mir kam es so vor, als wäre die Band in dem Moment einfach richtig stolz auf ihre Platte. Und endlich durften sie diesen vielseitigen, catchy Sound mit uns Zuhörer*innen teilen. Die kritischen und definitiv mutigen Lyrics haben meinen emotionalen Motor zusätzlich auf Hochtouren gebracht. Ich habe es genossen, das Lächeln der einzelnen Musiker*innen hin- und herwandern zu sehen. Und obwohl jede*r bei sich und dem jeweiligen Instrument war, waren doch alle irgendwie total zusammen.

Als kleines Highlight waren für einzelne Songs noch Gastmusiker eingeladen. Gemeinsam mit Max Prosa haben Karl die Große ein Fontane-Stück musikalisch interpretiert (wenn man das so sagen kann). Mein kleiner Begleiter schrie irgendwann euphorisch zu mir: Das ist John Maynard! Das Projekt hat also geklappt und bekam durch den singenden Erzählstil von Max Prosa musikalisch noch einmal eine ganz andere Note. Für mich war das eine sehr interessante Ambivalenz. Das Publikum hat es mit lautem Beifall honoriert. In einem andern Lied kam plötzlich, total unerwartet, eine „fröhliche Eisenbahn angedampft“. Francesco Wilking (Musiker der Band „Die Höchste Eisenbahn“) erschien mitten im Lied am Mikro und verzauberte mich durch seine vereinnahmende Freude. Beim anschließenden gemeinsamen Lied haben Wencke und Francesco mit ihren Freestyle-Raps dann endgültig alle Personen aus dem Publikum zum Jubeln gebracht. Allerdings wäre es viel schöner gewesen, wenn alle getanzt hätten. Mir fiel es sehr schwer, sitzen zu bleiben.

Nach dem Verschwinden der Gastmusiker konnte ich mich dann noch einmal so richtig auf die Band konzentrieren. Und dabei ist mir eins aufgefallen: Am meisten haben mich (wieder mal) die dynamischen Teile berührt. Es gab immer wieder diese Augenblicke, als sich alles zu einem spannenden Wirbelsturm gesteigert hat. Und genau in diesen Momenten ist Wencke mit ihrer Stimme so fesselnd energisch geworden, dass nur noch ein Hauch gefehlt hätte, um es als Schrei zu definieren. Für meinen Geschmack hätte das sogar liebend gern passieren dürfen. Die Explosionen wären absolut passend gewesen. Und im Gegensatz dazu gab es diese zerbrechlichen Teile, die für mich ihren Höhepunkt in den Zugaben hatten, die zurecht gefordert wurden. Alle Bandmitglieder haben sich genau im richtigen Maß ihren Platz in den Songs genommen. Niemand hat sich in den Vordergrund gespielt. Und das Ergebnis war mehr als die Summe der einzelnen Teile. Jede*r auf der Bühne verdiente an diesem Abend Lob. Aber ich möchte hier meine Hochachtung für die großartigen Backing Vocals aussprechen. Die waren für mich wie ein Rudel, dass sein bereits starkes Alpha-Tier noch um ein Vielfaches verstärkt. Genau das, was es zum Überleben in dieser bestialischen Musikindustrie braucht.

Liebe Karls: Ich wünsche euch mit diesem Album den großen Durchbruch in der deutschen Musiklandschaft. Das Album gibt es in meinen Augen absolut her.

Rupert

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