10.08.2022, Kulturarena Jena
Wie ich mich freue, euch heute mal wieder einen kleinen, feinen und ganz wundervollen Gastblog-Beitrag kredenzen zu dürfen. Nach jaaaaahrelangen, kläglich gescheiterten Überredungsversuchen, habe ich es nun endlich geschafft, die mit Worten verdammt gut umgehende SANDRA, mit ins Zweikanal-Boot zu holen. Obwohl, hier muss ich wohl ehrlich zu mir sein: Überreden kann ich nicht so gut, ggf. ein klein wenig Überzeugen. Oder einfach nur im perfekten „gefühlsduseligsten“ Moment die richtigen Worte zu sagen. Vielleicht war es auch einfach nur dieser wundervolle „Danger Dan“-Spirit oder die Wichtigkeiten seiner Botschaften, die Sandra aus ihrer „professionellen“ Schreiberinnen-Welt auf die „laienhaften aber emotionalen“ Zweikanal-Seiten lockten. Ich bin jetzt schon sehr dankbar dafür. Und weil ihr von mir immerzu lest, höre ich jetzt auf zu tippen, füge nur noch ein paar Fotos hinzu und lasse ansonsten Sandra hier freien Lauf. Bitteschön!
Radikal emotional: Danger Dan in der Kulturarena
„Ein romantischer Linksradikaler (oder linksradikaler Romantiker?) – diese einigermaßen überraschende Seite von sich zeigte uns der (man muss schon sagen – eigentlich) als Reggae-, Punk- und Rap-Musiker bekannte Danger Dan bei seinem einfach wunderbaren Auftritt in der Jenaer Kulturarena.
Eher zufällig habe er im ersten Corona-Lockdown sein Klavierspiel verbessert und noch viel zufälliger zum Zwecke des größeren Lernvergnügens dafür ein paar Lieder und Texte geschrieben, versuchte uns der 39-Jährige in seiner launigen Eröffnungsrede weiszumachen. Schon klar… Wie diese Fingerübungen dann ebenso zufällig auf das (inzwischen) äußerst erfolgreiche und mit mehreren Preisen dekorierte Solo-Klavieralbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ gekommen sein mögen, blieb allerdings offen. Aber egal: Sollte die Geschichte zumindest teilweise stimmen, dann wäre der Lockdown ja rückblickend wenigstens für irgendetwas gut gewesen… 🙂
Herausgekommen ist bei diesem Homeoffice-Experiment an den schwarz-weißen Tasten jedenfalls ein Set an Liedern mit unheimlich witzigen, auch wütenden, mitunter bitterbösen, oft ironischen Texten: Da bekommen beim Titelsong „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ die Anführer von AfD, Pegida & Co ihr Fett weg, rechnet er bei „Ingloria Victoria“ mit seinem alten Gymnasium in Aachen ab, verprügelt er mit Penelope Cruz (warum eigentlich mit der?) Sextouristen in Bangkok und schafft es bei „Ode an den Mord“ tatsächlich, mit den verschiedensten Möglichkeiten eines gewaltsamen Todes das gesamte ABC durch zu deklinieren (köstlich: E wie Elefant draufstellen). Das ist klug und treffend und messerscharf formuliert und passt zum linksradikalen Weltverbesserer, der Danger Dan ja durchaus auch (weiterhin) sein will.
Wirklich berührt haben mich an diesem Abend aber die ruhigen Momente, die wunderbar leichten, im besten Sinne herzerweichenden Stücke – die der gebürtige Aachener nach zwei Jahren Lockdown-Übungszeit übrigens fehlerlos am Klavier vorzutragen versteht. Und obwohl Danger Dan, der inzwischen wieder mit seinem bürgerlichen Namen Daniel genannt werden will, die meiste Zeit ganz allein auf der Kulturarena-Bühne steht (oder besser sitzt), schlägt er uns gerade mit diesen zarten Tönen komplett in seinen Bann. Mehr davon!
In diesen Balladen singt er vom Glauben an die große Liebe und von der Hoffnung darauf, dass am Ende alles gut wird. Wer hätte das bei einem solchen Musikrebellen gedacht? Und wer hätte einem im Sprechgesang beheimateten Klavier-Autodidakten solch schöne Melodien zugetraut…? Immer wieder gehen mir einzelne Textzeilen ins Ohr, bleiben dort hängen und entwickeln ein Gedanken-Eigenleben. Etwa wenn es bei „Lauf davon“ (einem Stück über Alltagsfallen und Jobroutinen) heißt: „Schwerer als reinzukommen ist es, wieder rauszukommen“. Oder wenn er bei „Trotzdem“ den uns wohl allen vertrauten Eindruck, dass scheinbar immer jemand auf der Welt alles besser kann als man selbst, mit einem schlichten Satz in die Bedeutungslosigkeit entlässt: „Aber meine Freundin wollte trotzdem lieber mich“. Oder wenn bei „Die gute Nachricht“ die ausführliche Schilderung aller Aussichtslosigkeiten in dieser unaufhaltsam auf den Abgrund zurennenden Welt mit dem befreienden Zusatz endet: „Und jetzt das Gute: Heute nicht. Es bleibt noch Zeit für dich und mich.“
Und so entlässt uns dieser fast schon poetische Sommerabend (ein paar Stücke über Drogen, Dosenbier und Tiefkühlpizza schmälern diesen Eindruck natürlich auch wieder) mit einer so schlichten wie wichtigen Erkenntnis: Dieser von Krisen und Katastrophen, Krankheiten und Krieg geprägten Welt begegnen wir am besten damit, dass wir – trotz allem oder gerade jetzt – lieben und leben und unsere Zeit bei schöner Musik und im Kreise guter Freunde einfach nur genießen.“
Sandra
Danke, liebe Sandra für diese warmen Zeilen voller Musikgenuss. Wir hoffen A L L E noch ganz oft von dir H I E R zu lesen. 😉
Und zum Abschluss habe ich dann doch noch was zu sagen, aber eigentlich eher mit den Worten Daniels, der meinte: „Jena – Phonetisch die schönste Stadt dieses hässlichen Landes!“ Eine genauere Erklärung folgte am nächsten Tag über sein Instagram-Profil und ich musste dabei lächeln und gleichzeitig wehmütig an diesen tollen Abend denken:
„Es stinkt aus dem Gulli im Paradies und der NSU hat sich dort gegründet, aber Jena ist zumindest phonetisch eine schöne Stadt. Sag „Jena“ und der Mund formt sich erst zu einem sanften Lächeln, dann tippt die Zungenspitze einmal neckisch an den Gaumen und mit halboffenem Mund verklingt das kurze Lustspiel.“
Danger Dan, Instagram-Posting vom 11.08.2022
Danke für dieses großartige Lustspiel, Daniel!
Sandra & Heike