MIDDLE KIDS – 09.11.2019 – Kantine Berghain, Berlin –
geschrieben von Torsten Arndt
Bought It knallt den Schalter um. Kurz und schmerzlos. Das ist wie eine harte Links-Rechts-Kombination mit der Ansage: „Schau her, wir sind da!“ Floskeln wie Hammer-Start, Spitzen-Einstand oder tolles erstes Lied werden dem brillanten Anfang nicht annähernd gerecht. Kurz: Mit „Spektakulär“ bin ich scheinbar nahe dran an der perfekten Beschreibung des Sprungs von den Berghain-Klippen in das Middle Kids Konzert in der Kantine!
Und ich so, erste Reihe, im Wechsel grenzdebil grinsend (so ca. 90 min), völlig apathisch dreinblickend oder halbfraktal mitsingend. Ich befürchte, dass Frau Joy – Frontfrau, eher Traumfrau, nein musikalische Göttin und Einhorn-Domtöse in einer Person – etwas Angst vor mir hat. Nun ja, ich kann auch nichts dafür, ich versuche wenigstens meinen oralen Ausfluss bei mir zu behalten, um nicht eliminiert zu werden und damit habe ich genug zu tun. Immerhin hat sie ihre bessere Hälfte zur Linken, Basser, Spring-ins-Land und Ehemann Tim Fitz dabei.
200 elektrisierte Fans geben verbal bereits ihrem Affen Zucker und die Middle Kids quittieren das mit einem süffisanten Lächeln. Diese coolen australischen Säue!
Bought It ist nach ein paar Minuten geschafft, nur bei mir steht nun alles, allen voran mein sächsisches Körperfell. Gänsehaut! Ich wusste es! Ich wusste es Wochen vorher! Ach, Monate vorher, dass genau das Konzert mein KONZERT DES JAHRES wird. Okay, Love A und Interpol und ein kleines Geheimkonzert folgen noch und haben gute Chancen die Middle Kids vom Thron zu stoßen, aber meine Zweifel sind groß und stronger like Dundees Machete! Wir werden es erleben.
Salt Eyes, Your Love, On my Knees führen unbeirrt das weiter, was die vier Helden angefangen haben. Klassischer Indie-Rock – durch leichten Americana-Folk infiltriert – hält die Spannung weiter hoch. Stimmliche Kopf-Bauch-Wechsel von Hannah Joy sind so famos, so fragil hilfesuchend und irgendwie Herz zerreißend. Schwebt dazu unbedingt mal durch die Instagram-Highlights vom Zweikanal. Vielleicht geht es euch genauso wie mir Fanboy!
I want to be with you als alles verratende Textzeile ist mein erster tiefer Herzmoment. Tell me something ist der Titel dazu. Just Love!
Naja und mit Mistake und Old River kommen die absoluten Highlights. Aber was schwafel ich von Highlights. Sie knüpfen einfach nur an das bis dahin perfekte Konzert an und sind „The Cherry on the top“! (…sucht noch Worte…)
Im völligen Middle Kids-Wahn und Joy-Fieber versunken, versuchte ich bei mir zu bleiben, das Konzert zu genießen. Das ist schwierig. Versuche an nichts anderes zu denken, den Moment gedanklich festzuhalten, so laut wie möglich Please come back to me mitzufühlen (mein zweiter Herzmoment), um am Ende verlassen So long Farewell I’m gone zuzugeben!
Ein unfassbar emotionales Erlebnis. Gefühle herausfordernd, teils witzig, immer kraftvoll und doch an manchen Stellen zerbrechlich wie ein Schneckenhaus! Ich hoffe, die Middle Kids im nächsten Jahr auf dem einen oder anderen Festival anzutreffen. Dann beginnt Kapitel 2 meiner heimlichen und vor allem einseitigen Beziehung mit einer bezaubernden Lefthand Gitarristin.