DEAR READER – 22.10.2017, Dresden, Beatpol –
Das Konzert hat mir so viel mehr gefallen, als in der Kirche beim Festival Alinae Lumr im Sommer. Da füllten Dear Reader die sakralen Sphären nur mit Stimme, Keys und Saiteninstrumenten. Was damals schon ausserordentlich gut gelang. Für mich aber war das Konzert – im diesmal bestuhlten Beatpol – einen Ticken schärfer.
Verschlagene Drums als Würze
Und das mache ich ganz klar am hinzugefügten Schlagzeug fest. Es spielte sich zwar nie in den Vordergrund, machte die aber teils sphärischen und verspielten Sounds der Damen um Cherilyn MacNeil etwas prägnanter. Etwas erlebbarer. Das gefiel mir wirklich sehr gut.
Die von überflüssigen Spuren entschlackten Songs ihrer neuen LP „Day Fever“ besaßen somit – im Vergleich zum Festival – einen kleinen Silberstreif extra. Driftete ich gedanklich in schleierhafte Lethargie ab, riss mich das einsetzende Schlagzeug wieder heraus. So als würde es sagen: „Hey wach auf, siehst du die Lichter auf dem Weg? Da gehts entlang!“
Die südafrikanische Herkunft von Frau MacNeil spiegelt sich in fast allen Songs wieder. Ob in 2. Stimme oder in vierstimmigen Vocals. Ein schmalen Drift in Richtung Gospel kann man den Damen guten Gewissens auch attestieren. Mein auf chorale Gesänge getrimmtes inneres Ohr schlackerte bei dieser Sangeskunst freudig mit den selbigen. Beim Hören der Songs drängen sich mir ab und an Bilder von Nebel durchfluteten Wälder, durch dessen fast unsichtbare Feen langsam hoovern, in meinen Kopf. Alles etwas mystisch, unstet und geheimnisvoll. Und nein, Einhörner sind da nicht dabei.
Im muss zugeben, dass ich die Lieder, trotz häufigen Durchhörens nie ganz auseinander halten kann. Der leichte Hang zur Klage zieht sich wie ein roten Faden durch die meisten Songs. Man ist irgendwie immer gewillt, den sich langsam senkenden Schleier aus Melancholie zu zerreißen, einfach zu zerfetzen. Ausser vielleicht bei Nothing Melodious, dieser ist spürbar optimistischer, viel erregter.
Musikalische Schublade?
Na zumindest ich kann den Sound Dear Reader’s in keiner verschwinden lassen. Im Gegenteil, sie scheint sich aus einigen Schubladen hier und da immer etwas rausgenommen zu haben. Hier etwas Singer/Songwriter und Gospel, da ne Brise Electro und Pop. Kunstvoll miteinander verknüpft. Fertig. Vielleicht ist das das Geheimnis von Cherilyn MacNeil in so gar keine Kategorie zu passen. Ich bin bereits jetzt schon auf das nächste Album gespannt. Und aus welchen Schubladen sie sich dann Zutaten stibitzt.
Euer Torsten