COLDPLAY – 14.06.2017, Red Bull Arena, Leipzig –
„Als ich sie 2003 das erste mal live sah“ ist so ziemlich der langweiligste Einstieg für Konzertreviews auf der schallplattenrunden Mutter Erde. Trotzdem begehe ich das Wagnis, denn mit Coldplay und mir ist das nämlich so: Eine Liaison mit Lücken. Damals, Parachutes. Ich war über beide Ohren verknallt in jede Note, jedes Wort, in den weichen Klang der Stimme von Chris Martin, die mir so viel versprach, was mein junges Herz hören wollte. Der Rausch ging weiter, auf dem Hurricane 2003 schließlich die Live-Ekstase. Mit Viva La Vida traten Coldplay dann aus meinem Leben und nur noch per Radiobeschallung in meinen Gehörgang.
Oh, take me back to the start
Trotz Trennung war mir klar, dass einmal noch live sehen sein musste. Rund 100 Glocken sind für Klein- bis Mittelkonzert-Besucher wie mich schon ordentlich Geld. Arenen und Stadien sind eher unattraktive Orte, die schon von weitem nach Bratwurschtbude, 5-Euro-Bier und zu vielen (viel zu vielen) Menschen schreien. Aber wie das so ist, wenn man verloren Geglaubtes plötzlich wiederfindet und der Weg erträglich scheint. Man macht sich auf denselben, tingelt nach Leipzig, stellt sich in den Stau und hofft auf ein gutes Ende.
They spun a web for me
Okay, Bierstand und Co. waren wie erwartet. Und mein eingerostetes Herz dachte töricht, es könne sich von all dem Brimborium unbeeindruckt zeigen. Nur noch ein mal live sehen. Zum Abschluss. Aber dann. Yellow knipst die rosarote Brille wieder an. Schmetterlinge im Bauch so wabberig, wie das Konfetti in der Luft. Eingelullt stehe ich da, singe mit, staune wie ein kleines Mädchen über Feuerwerk, Riesenballons und fliegende Papierschnipsel. Ein Blick ins blinkende Rund, wo alle Leuchtarmbänder einträchtig funkeln genügt. Mein Herz ist erwärmt. Die Energie schwappt über – von der Band, von der Masse an Menschen, vom Moment – und sie haben mich wieder. Ein Narr, der sich nicht mittreiben lässt und genießt.
And the hardest part
Alle Hypnose, meine Euphorie und die flackernden Laserlichter täuschen aber über eins nicht hinweg. Ich kenne den Trennungsgrund. Und den kann auch dieses Spektakel nicht weggaukeln. Ich weiss, Stadionkonzerte müssen geplant sein. Durchorganisiert. Ausgeklügelt. Aber mir fehlen die Macken, die Unperfektheit, das Aufregende – in den neuen Songs und in der Show. Es ist wie bei Social Media: Schönheit ist schön, aber was mich wirklich anzieht, ist Einzigartigkeit. Und plötzlich fühlt man sich inmitten von 50.000 Menschen doch etwas alleine. Es ist ein bisschen zu viel Schminke, ein bisschen zu viel „Ihr seid das beste Publikum aller Zeiten“, ein bisschen zu gut getimte Aktion. Der alten Liebe so nah und trotzdem ist es nicht wie früher.
There’s nothin‘ here to run from
„Don’t Panic“ zu hören war für mich unerwartet (ein so kurzes Liedchen, aber eins meiner absoluten Lieblinge) und holte mich ein bisschen aus der kleinen Schwermutswoge. Kurz danach dann Konzertende. Zugabe gab es nicht, der Plan sieht sowas nicht vor. Die glückliche Menge strebt zufrieden nach Hause und ich ziehe mit. Ja, das Konzert war perfekt. Ja, die Show war beeindruckend. Ich bereue nichts – außer Coldplay nicht auf einer kleineren Bühne erlebt haben zu dürfen. Mit ein bisschen mehr Trouble. Denn auch 2003 auf dem Hurricane war zwar weniger Konfetti, aber schon recht viel Mensch. Nobody said it was easy…
Ein Trotzdemnoch-Fan