JENS FRIEBE – 18.02.2016, Ostpol, Dresden –
Freund im Geiste
Mit dieser Headline möchte ich gleich am Anfang den Hut ziehen vor so vielen bildhaften und kontroversen Textzeilen eines Jens Friebe. Beispiele gefällig?
Wir zahlen zusammen, wir gehen getrennt.
Wir sitzen zwischen allen Stühlen und Tischen und Gefühlen.
Wieviele küsst du nicht, wenn du küsst.
Die Anderen sind die Stelle, auf der man tritt.
Meine Worte sind Musik, meine Augen ein Bild.
Durch die Gegensprechanlage hört er die Vögel singen.
Ich bin ein Schwamm, ich sauge was du magst.
Ein Nazi hat mein Bett aufgebaut.
…aber ok, lassen wir das.
Die Kneef hätte es übrigens nicht besser hauchen können. Und genau das ist diese in kleine Geschichten verpackte Poesie, welche mir längst vergangene Phasen und Bänder meines Lebens wieder vor mein inneres Auge schmeichelt. Lieder über Liebe, ein erstes verlogenes Date, ein versoffener Tag oder ein träumerisch, verwahrlostes Wochenende. Ich hatte an diesem Abend, mit diesem Anschlag auf verloren geglaubte Erinnerung nicht gerechnet. Diese ehrliche, direkte Musik kam unerwartet wie ein schwarzer Kater aus dem Gebüsch, kannte ich Jens Friebe bis dahin nur vom Hörensagen oder ab und an aus der Setlist von FluxFM. Wusste ich bis dato nichts über ihn, wusste ich nachher zwar nicht alles, aber schon sehr viel mehr. Das alles nur durch seine Lieder, welche mich erst überraschten und mittlerweile berühren.
Eine Verbeugung
Mein ehrliches Dankeschön geht abermals an meinen Capitano, welcher stets zielsicher als Quell musikalischer Inspiration zu überzeugen weiß und mir erneut einen außergewöhnlichen Künstler, in dem Fall den staatsaktdesken Jens Friebe, in mein Schubfach für musikalische Weiterbildung warf. Danke, an dieser Stelle!
Das Ereignis
Jens Friebe im wohnzimmeresken Ostpol war meine abendliche Dosis aus Kunst und Poesie, Nostalgie und Fortschritt. Sollte ich wirklich Fortschritt schreiben? Klingt das zu ostalgisch verstaubt? Kann man Fortschritt, ein im Osten früher häufig (sowjetisch) überladener Begriff, wieder schreiben? Ich mache es einfach, weil meiner Ansicht nach ein Künstler, welcher seiner langjährigen musikalischen Linie treu bleibt, ein bleibender Fortschritt ist. Ich liebe dieses Gegenteilige, verbirgt sich doch darin dieser gewisse Zwiespalt.
Vermutlich spielte die Kapelle um Jens Friebe an diesem Abend alle Hits vom letzten Album und von allen vorangegangenen Hitalben. Denn es müssen Hitalben sein, welche diese prosadesken Lieder inne tragen, um Menschen da draußen versinken zu lassen z. B. in französischen Romanzen. Konnte ich das bei diesem Konzert eben nur nicht gleich erfassen, lernte ich ihn und seine Musik erst in diesen 80 Minuten kennen. Liebliche, in sich verstrickende Kontroversen ziehen sich, teils harmonisch, teils humoristisch, aber auch manchmal wachrüttelnd durch diese aufrichtige, nackte Musik.
Und dann war da ja noch ein Chris Imler auf der Bühne, wie üblich verlässlich stehend hinter der obligatorischen Schießbude. Ein Chris Imler der in seiner Einzigartigkeit scheinbar nie und nimmer droht im Wust und Irrgang des Berliner Musikdschungels unterzugehen, ob seiner Qualitäten, als treibendes und rhythmisch, entscheidendes Teilchen eines Jens Friebe Minizirkuses. Ich bedauere es sehr, Jens Friebe erst jetzt entdecken zu haben. Was ich in musikalischer und poetischer Hinsicht verpasst habe, kann ich nur ansatzweise erahnen. Aber das werde ich in naher Zukunft alles korrigieren. Das werde ich DIR versprechen. Und ich werde es halten!
Ein endzeitdesker Zweikanal