-geschrieben von Sandra –
Kennt ihr das? Diese Konzertabende, über die ihr noch Tage später nur mit einem peinlich breiten Grinsen sprechen könnt? Wo euch auf die Frage, wie das Konzert denn so war, nicht viel mehr als ein „schöööööön“ mit unangemessen vielen ö einfällt? Genau. So einen Abend hatten Heike und ich mit Enno Bunger.
Nun ist das hier ja ein Musikblog und wir sind angetreten, euch ein wenig abzugeben vom Konzertgefühl dieses wunderbaren Abends im Mon Ami in Weimar. Einfach nur „schön“ reicht da eindeutig nicht! 😉 Doch was schreiben über einen Künstler, der ja selbst so unendlich feinfühlig, hintersinnig, tief-traurig und grund-optimistisch, so schneidend zynisch und auch immer wieder total witzig, textet und singt und spricht und scherzt…? Was gäbe es da noch hinzuzufügen?






Copyright: Heike Schmidt (Zweikanal Music)
Naja, versuchen wir’s…. Noch letztes Jahr hatte Enno Bunger mit Band auf seiner „Der beste Verlierer“- Tour in Jena Station gemacht. Diesmal in Weimar ist er wieder solo unterwegs: Ein eher unscheinbarer Mann in schwarzem Schlabberlook, begleitet nur von einer Mini-Kuscheltier-Ausgabe von Hündin Emma, ein Keyboard, ein Klavier. Ein paar Lämpchen auf der ansonsten leeren Bühne. Das war’s. Und ganz ehrlich – mehr brauchte es auch nicht für den perfekten Seelenstreichler-Abend. Die Songs kriegen in den Solo- und Akustik-Versionen nochmal mehr Ausdruck (Hörtipp: Die tvnoir-Live- Session – neu bei Spotify!). So liegt der Fokus nochmal mehr auf den wunderschönen Texten und der an diesem Abend perfekt sanften Stimme von Enno Bunger (Ende Januar war das Konzert noch krankheitsbedingt ausgefallen). Mit einem ganz leisen „Weltuntergang“ („Es gibt keinen Grund, sich zu verlieben, doch niemand hindert uns daran“) und einer echt zu Herzen gehenden Klavier-Version von „One Life Stand“ („Mit dir in meinen Armen hab ich mein Leben im Griff“) starten wir in einen Abend voller Liebeserklärungen und tiefer Gefühle.
Einem (immer noch viel zu kleinen) Publikum bekannt geworden ist Enno Bunger ja mit seinen melancholischen Alben über Trennungen („Wir sind vorbei“, 2012), Krankheit und Tod (,Was berührt, das bleibt“, 2019). Und tatsächlich ist das einzig Schöne am Verlassen und Verlassenwerden wohl Ennos Song darüber – „Abspann“ („Manchmal ist die Lösung viel schlimmer als das Problem“). Und den Abschied von einem geliebten Menschen beschreibt wohl kaum ein Song so treffend wie „Konfetti“. Doch damit nicht genug, singt er dann eben auch noch über Depressionen („Ich sehe was, was du nicht siehst – ich sehe schwarz seit vielen Jahren„) und Selbstmordgedanken („So lang ich Angst habe vorm Fallen, macht das Springen keinen Sinn“), über Rechtsradikalismus und Turbokapitalismus („Menschenwürde nur noch als Konjunktiv“), über Klimakatastrophen und viele weitere Übel dieser Welt.
Und trotzdem – ja, wirklich! – erleben wir einen heiteren, einen leichten, einen Kraft und Mut spendenden Abend.
Und das liegt an einem weiteren besonderen Talent von Enno Bunger: Immer wenn Trauer und Weltschmerz, Zynismus und Verzweiflung mir endgültig die Kehle zuschnüren wollen, erzählt Bunger einfach einen Schwank aus seiner Jugend in der ostfriesischen Provinz! Und die Anspannung löst sich in Lachen auf… Marathon-Engagements als Werbe-Jingles-spielender Kaufhaus-Pianist, Einsätze als Kirchenorganist zwischen Hochzeiten und Todesfällen, für die Enttäuschungen des Lebens stählende Samstage als Fan von Werder Bremen, eine schulische Karriere am H. B. Baxter-Gymnasium, Wortspielchen über Amy Weinmaus, Nordic Stalking und einen möglichen zweiten Karriereweg als Gefühlsdusel-Rapper enimemm – manchmal hat das schon Comedy-Qualität, was uns da als Pausenfüller zwischen großen Emotionen geboten wird.
Albern oder peinlich wird das Geblödel aber nie, zum Glück. Dass die aktuelle Tour „Bis eine:r weint“ heißt, ist denn auch Anlass für einen dieser gutmütigen Scherzchen. Sobald hier auch nur einer heult, sei sofort Schluss mit dem Konzert, droht es augenzwinkernd von der Bühne. Und bis zur Zugabe halte ich mich tatsächlich tapfer und überstehe sogar „trockenen Auges“ eine ganz wunderbar auf das Wesentliche reduzierte Akustik-Version von „Kalifornien“ („Unsere Herzen klopfen ewig, endlich lassen wir sie rein“). Doch mit dem letzten Lied, der Klavierfassung von „Ponyhof“, einer Ode an eine unverbrüchlich große Freundschaft, hat er mich dann doch noch gekriegt… 😉
Sei’s drum: Was berührt, das bleibt. Und wer sich berühren lässt, für den bleibt er auch – dieser wunderbare Abend.
Eure Sandra