JENSEITS VON MILLIONEN – 3. – 4. August 2018, Burg Friedland
geschrieben von Torsten Arndt
Nachdem wir am Freitag Abend den Absprung von der Aftershow-Party noch gerade so hinbekommen hatten, sind wir am Samstag dann völlig durchgesackt. Vom Spontan-Verliebt-Sein über Sofort-Heiraten-Wollen bis hin zu einem sensationellem „Freestyle“ mit Gurr war alles dabei. Und barfuß tanzen, lachen, singen, quatschen und trinken waren natürlich erneut die bevorzugten Tätigkeiten an diesem zweiten Abend. Aber dazu später mehr.
Der erste Festival Morgen und erneut die Frage: Wo gibt es Kaffee?
Weil wir beim Zeltaufbau am Vortag bewusst geschludert und die Innenzelte weggelassen hatten (ich erinnere an die 36 Grad), verhalfen wir unzähligen Baby-Mücken zu ihrem ersten Rausch und zu dem trügerischen Gefühl, gigantische Moskitos zu sein. Naja, selber Schuld, war am Ende auch irgendwie egal, denn Kaffee, Kaffee hatten wir noch keinen in der Hand und der war für diesen Moment das Wichtigste.
Aber auch daran hatten die lieben Macher vom Jenseits von Millionen gedacht und eine Kaffeebar für solches Volk wie uns installiert. Danke, ihr Lebensretter! Der erste Kaffee geht direkt im Stehen in die Blutbahn! Beim Zweiten verfolge ich schattensitzend dann, wie sich Teilnehmer am festivalinternen Yoga-Wettbewerb ver… ver… ja was eigentlich? Verbiegen, verdrehen, Verspannen? Schon beim Zusehen wollten sämtlich bereits verheilte Zerrungen in mir wieder aufreißen. Aber jeder holt sich eben woanders seine Streicheleinheiten für Körper und Seele. So soll es auch sein.
Aus meiner mittäglichen Streicheleinheit – einem kurzen Sprung ins kühle Nass – wird dagegen leider nix, weil der See, welchen wir ansteuern, für sowas nicht vorgesehen ist. Na ist ja klar, irgendwas ist ja immer. Schuld ist unsere Faulheit, nicht zur anerkannten Badestelle zu tingeln. Schlussendlich nutzt ein Teil von uns die eigens fürs Festival hergerichteten Duschen mit dem Hinweis: „Ich geh duschen, fürs Festivalleben bin ich nicht gemacht!“ zack der sitzt. Gelächter an der halbfertigen Donnerkuppel.
Kaisationelle Sprüche
Levanter sind die ersten Kandidaten im Festival-Reigen am Samstag und damit sei eingeschwenkt, zum musikalischen Teil des Tages. Genau der richtige Act, um müde Köpfe und vor allem Beine wieder langsam in Schwung zu bringen. Levanter verbreiten richtig gute Laune. Und diese schwappt und schwappt in die Burgformation. Und spätestens jetzt bin ich im zweiten Festival Tag angekommen. Indie-Rock im fast klassischen Gewand schieben Levanter von der Bühne. Meine Anspieltipp dazu ‚The Seeker‘. Müsst ihr unbedingt mal reinhören!
Ein Stagewechsel steht an, denn Burkini Beach bitten zum Tee in die Friedlander Kirche. Na und wer die Burkini Beach Boys kennt, weiß sofort, dass das wie die Faust aufs Auge passt. Singer Songwriter Sound, dezent serviert, zerbrechlich, liebevoll aber nie langatmig oder eintönig. Das ist eine ganz ganz feine Vesper und macht für mich gleich noch mehr Lust auf Das Paradies. Die zwischenzeitlich stattfindenden Paper Thieves nehmen es mir bitte nicht übel, bei Ihrem Auftritt nicht in erster Reihe gestanden zu haben, die kulinarischen Darbietungen hatten es mir in diesem Moment ganz besonders angetan.
Wann kommt das Lied mit der Giraffe?
Und auch die beiden anderen Wanderungen zur Kirche lasse ich weg, weil ich den immer jeweils folgenden Bands schon beim Soundcheck zuschauen, besser, schon zuhören wollte. Das gilt für Das Paradies genauso wie für Kala Brisella. Ich bin quasi völlig fixiert auf diese beiden Acts. Das Paradies wusste schon beim Immergut zu überzeugen und Kala Brisella ditschen schon ewig ihr Brötchen in mein offenes Punker-Herz.
Der guten Seele der „Gemeinschaft der Donnerkuppel“ brauche ich auf seine immerwährende Frage hin: „Wann kommt die Band mit der Giraffe nochmal?“ nun nicht mehr antworten, denn eins ist sicher: Die Giraffe konnte nun endlich in Freiheit gelangen! Ein Moment voller Liebe. Ein Lied wie ein Offenbarung. Selbst die Gefangenen im Burgverlies scheinen dabei zu lachen und zu tanzen. Und ich will einfach nur auf die Bühne rennen und alle umarmen! Und wenn ich damit erst anfange…Beim Sound of Bronkow Ende August gibt es Nachschlag.
Herz auf, Kala Brisella rein, Herz wieder zu
Kala Brisella sind neu, immer fresh, laut, eckig, krachend. Bass, Gitarre, Drums. Braucht es mehr? Nein, braucht es nicht. Und da ist es wieder, dieses Gefühl, dieses Aufbegehren, dieses Losreißen wollen von gesellschaftlichen Fesseln, der Versuch nicht linear zu sein, sondern auszubrechen, um einfach das zu tun, was man will. Kala Brisella gehen mit ihrem Sound wie mit einer Machete durch den Spiesser-Dschungel. Bis zur nächsten Lichtung! Anspieltipp: ‚Endlich krank‘. Für mich mehr Punk statt Noise! Finally it’s Love.
Und sie weint und er träumt
Reichlich besonnener aber nicht minder intensiv malträtieren Belgrad meine Gefühlswelt. Halb Hamburg, halb Dresden vereint im Friedlander Backend. Düstopischer, fast suizidal und dann wieder völlig sehnsüchtig nach Liebe. Und manchmal wie ein gefühlskalter Metallschleifer der widerstandslos seine Lücken fräst. Hört dazu mal ‚Eisengesicht‘. Der Sound hatte mich im Frühjahr in der Scheune-Dresden schon beeindruckt, ist aber hier auf der Burg noch intensiver, haptischer. Gänsehaut!
Tristesse verschwinde jetzt
Fibel überraschen mich. Berühren mich, wie bei ‚Substanz‘. Ich muss kurz schlucken. Und trotzdem ist es eine herrliche Party-Rutsche. Sie rasen durchs Konzert, sodass ich kaum hinterher komme. Fibel führt verlässlich das fort, was Zimt am Freitag Nachmittag angefangen haben. Es macht Spaß, ich fühle mich völlig frei, abgeholt, im Kreise meiner Lieben geborgen. Das sind Momente, welche ich ganz viele Tage später sicher immer noch spüren werde, sie werden unvergesslich sein, ich werde wohl immer wieder genau dieses Gefühl suchen. Nur wie kann ich dieses Gefühl länger, wenn nicht gar ewig konservieren?
Und dann kommen Laura und Andreya. Tanzen Macarena, breakdancen, lachen beim Singen, machen das, worauf sie Lust haben, es ist großartig, grandios, perfekt. Ein Abschluss, wie er hätte nicht besser sein können. Danke ihr beiden, es ist immer wieder schön euch zu erleben! Eben First Wave Gurrrlpower. Und können wir bitte dieses Festival sofort nochmal von vorn starten? Frankie oder Thomas? Wer entscheidet das? 😉 A pro pos Thomas, Thomas der OB, wo warst du nach dem Gurr Konzert, wir hatten uns zum Schnaps in der Schänke verabredet.
Nun gut, gab es eben wieder Pfeffi zur Aftershow. Dieses Mal haben wir den Absprung allerdings völlig verpasst, wie so ein Edi the Eagle auf der Großschanze. Zum Glück haben wir unseren Sprung gestanden, wenn auch ohne Telemark. Und wir hatten die Chance neben ausgelassener Feierei einmal danke zu sagen, bei Frankie z. B., natürlich stellvertretend. Was für ein lieber Mensch! Das einer von der „Gemeinschaft der Donnerkuppel“ zum Schluss mit Gurr zu Deichkind oder wer war das, gerapt hat, ruft bei mir nur ein lustiges Kopfschütteln hervor. Scheinbar ist in manchen Momenten alles möglich.
Wie war das mit dem Gefühl konservieren?
Mit dem Jenseits von Millionen ist euch ein ganz ganz feines Festival gelungen. Ich fühlte mich zu jeder Zeit gut aufgehoben, eure Freundlichkeit und Wärme ist herausragend. Ich komme in jedem Fall wieder, das steht fest! Vielen Dank!