Die AnnenMayKantereits im Kassablanca Jena

ANNENMAYKANTEREIT – 08.05.2017, Kassablanca, Jena –

Wer hätte es gedacht! Vor ein paar Monaten noch, konnte ich den Jungs von AnnenMayKantereit nichts abgewinnen. Besser gesagt, ich konnte mich nicht entscheiden, ob mir die doch sehr eindringlich dominante Stimme von Frontmann Henning gefällt oder…nein, sie gefiel mir nicht. Aber so ist es nicht mehr. Manchmal reicht ein klitzekleines Gefühl aus, um Dinge um uns herum zu verändern, ins Wanken zu bringen, manchmal stürzt alles ein und manchmal baut man einfach noch ein Türmchen drauf. Im Falle von AnnenMayKantereit habe ich durch dieses klitzekleine Gefühl, meine kleine bescheidene Hütte zu einem großen Märchenschloss ausgebaut. Um mich dort gemütlich niederzulassen.

Die Krönung dieser neuen Liebe…

…sollte natürlich ein Konzerterlebnis sein. Als Musik- und Konzertjunkie wie mich, war es quasi eine Pflicht dieses Konzert – ein Konzert an einem Montagabend (das sind ja bekanntermaßen die besten Konzerte überhaupt) – in meinem neuen Wohnzimmer dem Kassablanca Jena zu frönen. Blöd nur, dass das Konzert ausverkauft war und das schon seit gefühlt immer. Glücklicherweise konnte ich, dank der lieben Kassa-Crew, doch noch durch ein kleines Ticket-Fensterchen in die heiligen Hallen schlüpfen. Danke nochmal, liebes Kassa-Team! 😉

Die diesmal übersichtliche Schlange am Einlass ließ mich zum Glück dem schmuddeligen Wetter draußen schnell entfliehen, um drin im Warmen bei Bier und guter Pausenmusik (Tocotronic: „Pure Vernunft darf niemals siegen“) auf mein kleines persönliches Highlight zu warten: Die Band „BLOND“ aus Chemnitz war mal wieder ins Kassa gereist, um als Support die Stimmung des Publikums anzuheizen. Ich durfte mich von dieser 3er Kombo schon vor gut einem Jahr zum Konzert von ‚Isolation Berlin‘ überraschen lassen, an diesem Abend war ich einfach nur gespannt, ob sie mich wieder so bezirzen konnten. Überrascht haben sie mich nicht, dennoch nicht minder begeistert. Lest doch einfach noch mal in meine erste Begegnung mit ihnen rein: BLOND!

Herr Annen, Herr May, Herr Kantereit und Herr Huck…

…betraten die Bühne und gaben Sekunden später Vollgas. Gleich das erste Lied, ohne große Ankündigung und Begrüßung, rumste durch das Kassa in die Beine der Zuschauer. Eine unglaubliche Energie schwappte über die Menge hinweg. Der erste Song: „Wohin du gehst“ krachte und ließ vermuten, was uns Zuschauer an diesem Abend noch erwarten sollte. Und wir wurden nicht enttäuscht. Sie brachten mit einem Lied nach dem anderen die Menge abwechselnd zum Kochen und dann wieder zum Träumen. Bei „Es geht mir gut“ wippten die Beinchen und man wollte nur zu gern mitsingen „es geht mir eigentlich immer gut“. Zu „Pocahontas“ und „What He Wanted The Most“ konnte man einfach mal alles rauslassen, indem man mitschrie. Bei „Jeden Morgen“, „Barfuß am Klavier“ und „3. Stock“ dagegen, lief man Gefahr durchzusacken oder ins irrsinnige Träumen abzudriften. Rundum, ein Wechselbad der Gefühle, das sich durch die Gitarren und die Stimme von Frontmann Henning um ein Vielfaches potenzierte.

Übrigens: Laut Henning haben sie das Lied „Jeden Morgen“ schon seit 1 ½ Jahren nicht mehr live gespielt. Heute im Kassa war es dann mal wieder soweit. Der Strippenmann hat da wohl wieder mal seine Fäden gestrippt.

Man ist ja drauf vorbereitet

Die Live-Platte drehte schon wochenlang auf meinem Plattenspieler, im Auto hörte ich die CD und zwischendrin hielt mich Spotify warm. Die Musik ist schon längst ins Herz gesickert. Meistens hat man ja vorab Vorstellungen wie so ein Konzert ablaufen könnte, manchmal hat man auch gar keine und wird überrascht. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass es genauso wird wie auf der Live-Platte und was soll ich sagen, ja meine Erwartungen wurden zu 100 % erfüllt und das überraschte mich. Klingt komisch, ist aber so.

Die Song-Ankündigungen von Henning waren genau dieselben wie auf der Platte. So wie man alle Lieder mitsingen konnte, konnte man das Geplapper dazwischen mitsprechen. Z. b. vor „Neues Zimmer“:

„Severin und ich sind vor 5 nein 4 Jahren (bzw. 6 nein 5 Jahren) zusammengezogen…und da sind wir in eine Wohnung eingezogen, die ziemlich scheiße aussah, und nach 3 Monaten renovieren sah sie noch beschissener aus und dabei ist ein Lied entstanden…“

oder vor „Mir wär lieber du weinst“:

„Wir schreiben ja die meisten Lieder immer für jemanden…das nächste Lied ist für eine Frau und es hat ihr nicht gefallen.“

Doch ein wenig geschockt war ich, als Henning diese fürchterliche Steck-dein-Handy-weg-Ankotz-Geschichte von „Du bist überall“ brachte. Ich hab das Lied schon vorab immer weitgeskippt, weil ich diese Attitüde nicht mochte, es verbreitete negative Stimmung und so auch hier im Kassa, also bei mir. Ich weiß nicht wie es den anderen ging, aber ich konnte damit nicht umgehen, zumal das doch sehr sehr junge Publikum, welches wohl zu 80 % aus den sogenannten Digital Natives bestand, kaum die Handys zückte. Was sollte das? Ich musste hinterher herausfinden, dass es das Lied ist. Es ist der Text des Liedes. Aber warum? Wie passt das mit dem Refrain zusammen: „Du bist überall, nur nicht hier bei mir“? Kann mir das verdammt noch mal einer erklären?

Wer sich jetzt fragt: Von was redet die hier eigentlich? Der sollte einfach mal hier auf Spotify reinhören.

Fazit

Ein zwiegespaltenes Konzerterlebnis.
Weil ich mal himmelhochjauchzend alles vergessen konnte, um mich dann wieder zu Tode betrübt an alles erinnerte.

Ein verhaltenes Kassa-Publikum.
Und das ist sehr ungewöhnlich, war ich doch so begeistert von meinen bisherigen Konzerterlebnissen hier im Kassa und dem Jenaer Publikum, die immer Vollgas gaben. Ob bei Tocotronic, Von Wegen Lisbeth oder Heisskalt, sie waren immer eine Bank.

Zwei muffelige Personen.
Zum Einen der etwas vermuffelte Henning: Der nicht nur mit diesem doofen „Steck-dein-Handy-weg“-Lied und der Ansage an einen Fan, der ihm bei Pocahontas immer dazwischen brüllte (was wirklich scheiße war) mir etwas die Stimmung vermieste. Zum Anderen: dieser muffelige Konzertbesucher! Der leider ich höchstpersönlich war. Manchmal muss man eben durch solche Tage durch.

An Tagen wie diesen, braucht es Musik wie diese. Musik, die noch tiefere Löcher gräbt.

Aber hey, ich komme trotzdem wieder, ganz in Muffelmanier mit guter Laune in durchsichtig bis blass. Und die AnnenMayKantereits liebe ich trotzdem.

Euer Muffeltier

 

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